Eine Einführung zum Abgewöhnen
Teil 5: Die Sehnsucht nach Klarheit
Wer darüber nachdenkt, warum rechtes Gedankengut und antidemokratisches Verhalten in den vergangenen Jahren an Popularität gewonnen hat, wird schnell erkennen, dass einfache Behauptungen leichter aufgenommen werden als die meist sehr viel kompliziertere Realität. Je länger der deutsche Nazi-Schock zurückliegt, desto schwächer wirkt die aus der Nachkriegszeit erwachsene Immunisierung unserer Kultur gegen einfache Unwahrheiten.
Vor allem aber löst sich diese notwendige Immunisierung gerade selbst auf. Ihre Substanz zersetzt sich von innen.
Das notwendige genaue Hinterfragen von Inhalt und Zusammenhang fordert Klarheit in der Sprache. Fordert eine Eindeutigkeit, die derzeit immer weniger Menschen bereit sind zu äußern.
Überforderung und Angst macht sich breit.
Denn die Relativierung bislang sicher geglaubter Faktoren in der Kultur, der Politik und sogar der Biologie führt gerade in allerletzter Zeit zu einer radikalen, vorher wohl selten dagewesenen Dynamik innerhalb der Sprache.
Nichts ist sicher! Und die Sprache wandelt sich nicht von einer eindeutigen Richtung in eine andere, sondern sie verliert ihre Eindeutigkeit.
Ich hatte in den vergangenen Beiträgen darauf hingewiesen, dass die vorauseilende Absicherung gegen jede mögliche Befindlichkeit, die angstvolle, weiträumige Vermeidungsstrategie aller erdenklichen Fettnäpfe, kurz gesagt: die falsch verstandene Political Correctness, zu teilweise absurden Konstruktionen führt, die jede klare Aussage aufweicht. Die „Generation Irgendwie“ geht jeder Eindeutigkeit zunehmend aus dem Weg, während auf der anderen Seite ein Bedürfnis nach einfachen Antworten noch im Schatten, aber zunehmend populär gesucht und befriedigt wird.
„Keep it simple“, dieser aus dem Ingenieurwesen stammende Grundsatz, ist in der Politik brandgefährlich. Aber er ist eben eine Art Zugangscode zu den Hirnen und Herzen der Angesprochenen.
Das Gefährliche an dieser Entwicklung ist die schwindende Aufmerksamkeit der Angesprochenen durch unkonkrete Kommunikation.
Der Nebel der Relativierungskaskaden wirkt narkotisierend.
Wer dem ausgeliefert ist, verliert die Orientierung.
Wenn die Sprache alles weichspült, alles relativiert, alles irgendwie und nur ein bisschen meint, wenn Haltung nur sozusagen zum Ausdruck kommt, wird zunächst unterschwellig und schleichend ein Defizit wahrgenommen, aus dem letztlich eine Sehnsucht nach Klarheit, Eindeutigkeit und Orientierung folgt.
Und hier wird das Feld dann denen überlassen, die mit einer einfachen Sprache auch einfache Lösungen anzubieten haben. Aber dieser Zusammenhang ist einfach falsch!